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Schadensersatz für Zweitwohnung und Pendeln nach rechtswidriger Versetzung


27.04.2018

Besprechung des Urteils des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 10.11.2017, Aktenzeichen 10 Sa 964/17.

Grundsatz:

Dem Arbeitgeber steht gemäß § 106 GewO ein sogenanntes Direktionsrecht zu, das diesen berechtigt, im Rahmen des gesetzlichen und arbeitsvertraglich-, sowie gegebenenfalls tarifvertraglich Zulässigen, dem Arbeitnehmer seinen Arbeitsort und seine Tätigkeit vorzuschreiben. Dieser Grundsatz findet jedoch eine Einschränkung dahingehend, dass durch die Ausübung des Direktionsrechts die vorgenannten Rahmenbedingungen eingehalten werden müssen und die Entscheidung stehts nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB, also unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu erfolgen hat. Außerdem darf die Entscheidung nicht vollkommen willkürlich sein und ebenfalls keine Maßregelung des Arbeitnehmers darstellen, wenn dieser zuvor ein ihm zustehendes Recht ausgeübt hat, sogenanntes Maßregelungsverbot, normiert in § 612a BGB. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass der Arbeitgeber beispielsweise nicht berechtigt ist, einem als Bauleiter eingestellten Arbeitnehmer die Tätigkeiten einer Putzkraft zuzuweisen, oder diesen an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, nur, weil der Arbeitnehmer zuvor ein ihm zustehendes Recht in zulässiger Weise ausgeübt hat, beispielsweise die Gewährung von Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz beantragt und auf Gewährung am Stück bestanden hat.

Ebenfalls wird häufig in arbeitsvertragliche Regelungen mit aufgenommen, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, den Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsort zu versetzen. Diese im Grundsatz zulässige Regelung ist allerdings nicht uneingeschränkt ausübbar. Denn bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen muss stets berücksichtigt werden, dass der Arbeitnehmer schützenswerte Interessen hat, wie beispielsweise die Nähe zu seiner Familie, aber auch finanzielle Nachteile entstehen können, die insbesondere im Niedriglohnsektor durchaus dazu geeignet sind, dass das Arbeitsverhältnis sich nicht mehr „rechnet“, da Fahrt- und Unterbringungskosten höher ausfallen als das erzielte Gehalt, oder dieses zumindest zu einem großen Teil durch die zusätzlichen Kosten aufgebraucht wird.

Die Problematik:

Regelmäßig steht der Arbeitnehmer vor dem Problem, dass er nicht richtig zuordnen kann, ob eine Weisung des Arbeitgebers noch von dessen Direktionsrecht gedeckt ist, oder diese rechtswidrig ist. Selbiges gilt für den Arbeitgeber.

Verschärfend kam hinzu, dass das Bundesarbeitsgericht in ständiger, jahrzehntelanger Rechtsprechung bis vor kurzem angenommen hat, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, auch rechtswidrigen Weisungen seines Arbeitgebers nachzukommen, bis durch gerichtliches Urteil rechtskräftig festgestellt wurde, dass die Weisung rechtswidrig war.

Ausnahmen galten nur insoweit, als die Rechtswidrigkeit der Weisung „an der Stirn klebte“, also auch für den juristischen Laien unproblematisch festzustellen war. Hierunter fiel beispielsweise die Aufforderung zu offensichtlichen Straftaten. Wenn der Arbeitgeber also von einem Gesellen verlangt hat, den Auszubildenden zu verprügeln, damit dieser lernt, sorgsamer mit dem Arbeitsmaterial umzugehen, war offensichtlich, dass dieser Weisung nicht nachzukommen ist.

Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in einer wegweisenden Entscheidung von dieser ständigen Rechtsprechung abgekehrt ist, besteht für den Arbeitnehmer nach wie vor die Problematik, dass er häufig Weisungen von seinem Arbeitgeber erhalten wird, diese aber rechtlich nicht richtig einordnen kann. In diesem Fall ist unbedingt ein Fachanwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren. Dieser verfügt über die entsprechende Kenntnis der Rechtsprechung, auch im Hinblick auf die Versetzung an einen anderen Arbeitsort und kann den Rechtsuchenden daher darüber aufklären, ob er der Weisung Folge zu leisten hat oder nicht.

Der Sachverhalt der Entscheidung des LAG Hessen vom 10.11.2017:

Die zuvor beschriebene Problematik der Versetzung an einen anderen Arbeitsort traf den seit dem Jahr 1997 bei einem Tischler- und Montageunternehmen aus Südhessen beschäftigten Arbeitnehmer. Vor seiner Versetzung war der gelernte Metallbaumeister sogar Betriebsleiter des südhessischen Standorts. Ab November 2014 versetzte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer für die Dauer von mindestens 2 Jahren in die Niederlassung in Sachsen. Diese war vom Standort in Südhessen ca. 480 km entfernt. Der Arbeitnehmer verhielt sich nach der damals noch gültigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu rechtswidrigen Weisungen des Arbeitgebers korrekt, indem er der Weisung der Arbeitgeberin folgte. Er erhob jedoch erfolgreich Klage gegen die Versetzung, sodass er nach einem rechtskräftigen Berufungsurteil fast 2 Jahre später, ab Oktober 2016, wieder an seinem ursprünglichen Arbeitsort in Südhessen arbeiten konnte.

Unproblematisch erkennbar ist wohl, dass ein täglicher Arbeitsweg von insgesamt 960 km nicht zumutbar ist. Der Arbeitnehmer klagte 2016 erneut gegen seine Arbeitgeberin und verlangte die für die während seines Einsatzes in der sächsischen Niederlassung entstandenen Zusatzkosten ersetzt. Zum einen hatte er eine Zweitwohnung für ca. 315 € monatlich angemietet. Außerdem pendelte der Arbeitnehmer regelmäßig mit seinem Privatfahrzeug sonntags und freitags zwischen Hauptwohnsitz und Zweitwohnung.

Mit der Klage verlangte der Arbeitnehmer unter anderem die Erstattung der Kosten der Zweitwohnung, der wöchentlichen Heimfahrten, die Vergütung der Fahrzeit und ein Tagegeld.

Die Entscheidung des LAG Hessen:

Die Forderungen des klagenden Arbeitnehmers wurden in dem Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Hessen als teilweise berechtigt anerkannt. Aufgrund des vorangegangenen Rechtsstreits stand rechtskräftig fest, dass die Versetzung rechtswidrig war, weshalb die Arbeitgeberin nach richtiger Ansicht des LAG Hessen Schadensersatz schulde. Der Schadensumsatz umfasse dem Grunde nach die Kosten der Zweitwohnung und des Pendelns.

Der Ausgleich des Schadens könne aber nicht, wie geltend gemacht, nach den Regelungen über Montageeinsätze in dem für beide Seiten geltenden Tarifvertrag für das hessische Tischlerhandwerk, Bestattung- und Montagegewerbe erfolgen. Das Folge daraus, dass es sich um einen dauernden und nicht nur vorübergehenden Einsatz gehandelt habe. Weiterhin könne der Arbeitnehmer auch nicht die Kosten für Heimfahrten zu dem erst Wohnsitz entsprechend der Regelung des § 670 BGB als Aufwendungsersatz verlangen, denn Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle seien der Privatsphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen.

Der Schaden sei, nach Ansicht des LAG Hessen, nach dem Leitbild der öffentlichen-rechtlichen Reisekostenregelungen, konkret der Trennungsgeldverordnung (TGV), zu berechnen. Der Schadensersatz umfasse demnach die vollständige Erstattung der Mietkosten, da diese als angemessen gewertet wurden. Die Fahrtkosten dagegen seien nur nach dem Wert einer Zugfahrt an jedem zweiten Wochenende auszugleichen, wohingegen eine Vergütung der Fahrzeit nicht geschuldet sei. Allerdings stehe dem Arbeitnehmer für den höheren Aufwand, bedingt durch die rechtswidrige Versetzung an einen anderen Arbeitsort, aber ein monatlicher Ausgleich von 236 € zu, der nach den Vorschriften für ein Trennungstagegeld ermittelt wurde.

Hinweis für die Praxis:

Regelmäßig wird der Arbeitnehmer sich einer Vielzahl von Weisungen des Arbeitgebers ausgesetzt sehen. Selbiges gilt für den Arbeitgeber, der natürlich seinen Betrieb so organisieren möchte, wie er es für richtig hält und somit seine Arbeitnehmer entsprechend anweisen wird. Ob eine Weisung rechtmäßig oder rechtswidrig ist, ist dabei aber für den Arbeitnehmer, sowie für den Arbeitgeber, häufig nicht zweifelsfrei erkennbar. In diesem Fall sollte stets ein Fachanwalt für Arbeitsrecht konsultiert werden, um die Frage zu klären, ob der Weisung überhaupt nachgekommen werden muss.

Ist der Arbeitnehmer einer Weisung, die insbesondere eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort betrifft, bereits nachgekommen, sollten Schadensersatzansprüche ebenfalls stets durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht geprüft werden. Dieser ist dazu in der Lage, die Ansprüche des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber richtig zu bewerten und einzuordnen. Stellt sich heraus, dass die Weisung des Arbeitgebers tatsächlich rechtswidrig war und dem Arbeitnehmer hieraus Mehraufwendungen entstanden sind, kann der Anwalt die Mehraufwendungen nach den oben dargestellten Grundsätzen zurückverlangen.

 
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